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Teamwork an der Havel

Hausarzt mit Wachstumsplänen

In Brandenburg gilt der Ärztemangel als besonders ausgeprägt. Dr. Mario Zerbaum packt die Herausforderung bei den Hörnern - und setzt sich zugleich für den Mediziner-Nachwuchs ein.
Die Szenerie wirkt fast idyllisch. Unten, zu Füßen der Praxis, öffnet sich der Neustädtische Markt mit seinen historischen Bauten. Rechts liegt die Katharinenkirche, links geht es den Molkenmarkt hinunter zum Mühlendamm, vor dem auf der Havel die Boote friedlich im Wind schaukeln. "Nach drei Jahren Berlin waren meine Frau und ich uns einig, dass wir lieber in einer kleineren, ruhigeren Stadt leben wollen", erzählt Mario Zerbaum. Bei einer Urlaubstour durch die Region entschieden sie sich für das 70.000 Einwohner zählende Brandenburg an der Havel. Seit 2013, damals noch beide in der Weiterbildung, wohnt und arbeitet das Ärztepaar hier, inzwischen mit drei Kindern. In einer Stadt, die landschaftlich und kulturell viel bietet - deren Bewohner aber viel auszuhalten hatten. "Ich sag es mal so: Heute würde ich mir vor der Gründung nicht mehr so viele Gedanken machen, ob genug Patienten kommen", so Zerbaum.

Die Erreichbarkeit der Praxis ist Zerbaum wichtig

Einst wichtiger Standort der DDR-Stahlindustrie, hatte Brandenburg nach der Wende mit hohen Arbeitslosenzahlen zu kämpfen. Noch heute sei zu spüren, wie die ungewollten Brüche in den Biografien die Gesundheit beeinträchtigen können, sagt der Arzt. "Umso sinnvoller ist es natürlich, gerade hier in die hausärztliche Versorgung zu gehen. Ich habe es noch keinen Tag bereut."

Quasi vom ersten Tag an füllten sich die Behandlungsräume. Erst, weil viele andere Hausärzte der Stadt Patienten aus dem Umland mangels Kapazitäten abgewiesen hatten. Bald entwickelte sich daraus ein großer, vielfältiger Patientenstamm, zu dem Kinder ebenso gehören wie eine 104 Jahre alte, sehr rüstige Dame. Wer von weiter her kommt, kann die Praxis mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht erreichen, das war Zerbaum bei der Suche nach geeigneten Räumen wichtig. Er selbst fährt mit dem Fahrrad, das Haus der Familie liegt nur eine kurze Strecke entfernt.

Warten auf die DSL-Leitung

Vorgezeichnet aber scheint der Weg in die eigene Praxis nicht gewesen zu sein. "Eigentlich hat sich das alles so ergeben, ich hatte keinen Masterplan, mich in jedem Fall selbständig zu machen", erzählt Mario Zerbaum. Zwischendurch tauchten auch unerwartete Hürden auf, als die Entscheidung pro Niederlassung gefallen war. Etwa die Auflage der Stadt, ein verändertes Brandschutzkonzept umzusetzen. "Das hätte uns circa 70.000 Euro gekostet, dann hätten wir unsere Pläne aufgegeben", erinnert sich der Arzt. "Zum Glück hat sich das rechtzeitig wieder erledigt." Ebenso wie die anfänglichen IT-Probleme in der Zweigstelle, die Zerbaum inzwischen im 30 Kilometer entfernten Buschow eingerichtet hat. Zwar gab es Unterstützung von Gemeinde und Landkreis, die das ehemalige Gemeindehaus dafür sanieren ließen. "Aber drei Wochen vor Eröffnung erklärte der Provider plötzlich, da draußen könne man keine DSL-Leitung legen." Am Ende funktionierte es doch, allerdings mit stark reduzierter Bandbreite.

Portal zur Online-Krankschreibung beim Hausarzt

Überhaupt, die Digitalisierung. Mario Zerbaum wird sehr lebendig, wenn er in seinem Behandlungszimmer von den Chancen erzählt, die sie Ärzten wie Patienten bietet. Sehr bewusst hat er sich für eine Praxis-Software entschieden, die Services wie die Online-Terminvereinbarung und Videosprechstunden integriert. Außerdem legt er seinen Patienten die Gesundakte ans Herz, eine App für die sichere digitale Kommunikation mit der Praxis.

"Wer solche Services nutzt, ist meist begeistert davon", hat der Mediziner beobachtet. "Aber es sind bislang noch nicht wirklich viele." Ähnlich sieht es ihm zufolge bei vielen niedergelassenen Kollegen aus. Viel zu oft heiße es da noch, das habe man doch jetzt fünfzig Jahre lang erfolgreich anders bewältigt. Zerbaum aber lässt sich nicht entmutigen, im Gegenteil. Bald bringt er in Kooperation mit einem IT-Spezialisten ein Portal auf den Markt, über das Patienten online ein Attest bei Arbeitsunfähigkeit erhalten. Beim eigenen Hausarzt - und nicht, wie bei anderen Anbietern, von Ärzten, die sie zuvor noch nie untersucht haben.

Studierende der MHB als Teammitglieder auf Zeit

Ganz allein, sagt er, wäre er solche Projekte und ebenso die Niederlassung aber nicht angegangen. Zerbaums Frau Franziska, ebenfalls Allgemeinmedizinerin, arbeitet von Anfang an mit in der Praxis, demnächst als Inhaberin eines zweiten Kassensitzes. "Für uns passt das wunderbar", sagt der Ehemann. "Jemanden zu haben, mit dem man sich fachlich austauschen kann und dem man zugleich absolut vertraut, macht einfach mehr Spaß."

Unterstützung bekommen die Zerbaums von einem angestellten Weiterbildungsassistenten, mittlerweile drei medizinischen Fachangestellten und einer Auszubildenden. Als Teammitglieder auf Zeit stoßen regelmäßig angehende Ärzte von der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) dazu. Sie absolvieren die Praxistage hier, die an der Uni verpflichtend sind, viele anschließend auch eine Famulatur. Demnächst werden außerdem die ersten Absolventen als PJler erwartet.

Die Arbeit mit Studierenden und jungen Ärzten ist bereichernd

"Es ist zwar aufwendig, aber auch sehr bereichernd, junge Kollegen auszubilden", sagt Zerbaum, der sich auch als Lehrbeauftragter an der MHB engagiert. "Vielen öffnet die Zeit bei uns erst die Augen dafür, dass ein Hausarzt weit mehr macht als Überweisungen ausstellen." Nebenbei ist er, im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin-Brandenburg, noch als Mentor für junge Ärzte in der Weiterbildung zum Allgemeinmediziner aktiv. Das tut er gerne, zumal er die Beratung der KV vor dem eigenen Start in die Niederlassung als sehr kompetent erlebt hat. "Für die apoBank gilt das auch, mein Berater hat mich professionell bei der Finanzplanung unterstützt und konnte sich zudem gut in die Mediziner-Perspektive hineindenken."

Mario Zerbaum geht ganz offensichtlich auf in seinem Beruf als Hausarzt in dieser Gegend, die so viel Schönes und Schwieriges verbindet. "Wenn Sie mich fragen, wird von Seiten der Berufspolitik auch einfach zu viel gejammert. Die Hausarzt-Tätigkeit ist so vielseitig, man kann so viel gestalten - da packt man am besten selbst an, statt zu klagen."


Das Gespräch mit Dr. Mario Zerbaum fand im Oktober 2019 statt - zur Person:
Mario Zerbaum stammt aus Dessau-Rosslau (Sachsen-Anhalt), sein Medizinstudium hat er in Dresden und Halle absolviert. Nach Stationen in Berlin und Bad Salzungen zog er 2013 mit der Familie nach Brandenburg. Ein Jahr nach seiner Facharztprüfung 2015 beschloss er zusammen mit Ehefrau Franziska, ebenfalls in der Allgemeinmedizin tätig, dort eine neue Praxis zu gründen. "Wir wollten eine Atmosphäre schaffen, die wir uns selbst als Patienten wünschen", sagt Zerbaum. Inzwischen sind die Räumlichkeiten fast zu klein für das Medizinerpaar und sein Team. Der Allgemeinarzt mit Zusatz-Weiterbildung Hypertensiologie kann sich gut vorstellen, die Praxis zu einem medizinischen Versorgungszentrum weiterzuentwickeln.