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Bundestagswahl 2025: Make Germany great again?

Finanzmarktkommentar von Dr. Björn Ohl, Ökonom der apoBank | 17.02.2025

Auf einen Blick

  • Die Umfrageerbnisse deuten auf eine große Koalition unter Kanzler Merz hin.
  • Die neue Bundesregierung hat die schwierige Aufgabe, die Wachstumsschwäche zu überwinden.
  • Der Ausgang der Bundestagswahl hat keinen großen Einfluss auf das Wachstum in diesem Jahr.
  • Es bedarf einer großen Wahlüberraschung, um einen Effekt an den Finanzmärkten zu sehen.
     

Merz wird Kanzler, aber in welcher Regierung?

Angesichts der vielen Wähler, die eine Woche vor der Bundestagswahl noch nicht wissen, wem sie ihre Stimmen geben sollen, herrscht hohe Unsicherheit über den Wahlausgang. Nichtsdestotrotz deutet vieles darauf hin, dass Deutschland eine neue Regierung bekommt. Damit folgt Deutschland dem jüngsten Trend anderer Länder, bei denen die Machthaber eine teils herbe Wahlniederlage einstecken mussten. Dazu zählen neben den USA auch Großbritannien, Frankreich, Südafrika und Indien.

Auf Basis der Umfragewerte* in den letzten Wochen zeichnet sich ab, dass CDU/CSU (30,1 %) die stärkste politische Kraft im Land und Merz neuer Bundeskanzler wird. Den zweiten Platz wird aller Voraussicht nach die AfD (20,8 %) einnehmen. Da alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD bereits ausgeschlossen haben, wird sie wohl in der Opposition landen und dort die Führungsrolle übernehmen. Im Rennen um den dritten Platz liegt die SPD (15,4 %) vor den Grünen (13,6 %). Dennoch droht den Sozialdemokraten nicht nur der Verlust des Kanzleramtes nach nur einer Legislaturperiode, sondern auch das schlechteste Wahlergebnis in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Drei weitere Parteien kämpfen bis zum Wahltag um den Einzug ins Parlament. Die besten Chancen, die 5 %-Hürde zu überspringen, haben derzeit die Linke (5,5 %), gefolgt vom BSW (4,5 %) und der FDP (4,1%).

In der Frage der Regierungsbildung sehen wir fünf relevante Szenarien. Ob eine Zwei- oder Dreiparteien-Koalition die Regierung stellen wird, hängt auch davon ab, wie viele der Kleinparteien den Sprung über die 5 %-Hürde schaffen. Eine Neuauflage der großen Koalition halten wir für das wahrscheinlichste Szenario, gefolgt von einer Premiere der Kenia-Koalition. Mit abnehmender Wahrscheinlichkeit halten wir zudem eine Schwarz-Grüne und eine Deutschland-Koalition für möglich. Nicht gänzlich auszuschließen ist zu guter Letzt eine Jamaika-Koalition.


* Quelle: www.wahlrecht.de, Stand: 14. Februar 2025, gewichteter Mittelwert

 

Ohne Wirtschaftswachstum wird es für jede Regierung schwer

Der neue Kanzler und seine Regierung stehen wirtschaftlich vor einer Ausnahmesituation. Die deutsche Volkswirtschaft droht nach zwei Jahren Mini-Rezession auch in diesem Jahr zu schrumpfen. Das ist zum Teil den widrigen äußeren Verhältnissen geschuldet, aber nicht ausschließlich. Die deutsche Wachstumsschwäche sticht auch im internationalen Vergleich hervor. So konnte etwa die US-Volkswirtschaft in den letzten fünf Jahren seit Ende 2019 um mehr als 12 % expandieren. Die deutsche Wirtschaft wuchs im selben Zeitraum überhaupt nicht. Auch im europäischen Vergleich schneidet die deutsche Wirtschaft schlecht ab und bremst die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum. Sowohl Frankreich als auch Italien und insbesondere Spanien konnten in den letzten Jahren ein höheres Wirtschaftswachstum generieren als Deutschland.
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Die Ursachen für Deutschlands anhaltende Wachstumsschwäche sind vielfältig. Neben zyklischen Faktoren spielen strukturelle Defizite eine Rolle. Grundsätzlich gilt, dass das hiesige Erfolgsmodell der 2010er Jahre ausgedient hat. Dieses zeichnete sich durch fiskalische Austerität, Lohnzurückhaltung und Deckelung der Produktionskosten sowie Exportorientierung der wettbewerbsfähigen Industrie aus. Spätestens seit Chinas globaler Industrieoffensive und den Kostensteigerungen infolge des Kriegs in der Ukraine braucht dieses Modell ein Upgrade.

Dringender Reformbedarf bei Arbeitsmarkt und Staatsfinanzen

Die ressortübergreifende Liste wünschenswerter Reformen ist lang. Aus wirtschaftlicher Sicht drängen sich in erster Linie eine umfassende Reformierung des Arbeitsmarkts und der Staatsfinanzen auf. Aufgrund der demografischen Alterung Deutschlands wird der resultierende Arbeitskräftemangel das Wirtschaftswachstum in den nächsten zehn Jahren stark belasten. Nach Berechnungen der Wirtschaftsweisen reduziert die demografisch bedingte Verknappung am Arbeitsmarkt das potenzielle Wachstum jährlich auf 0,5 % p.a. in der kommenden Dekade.

Kurzfristig lässt sich kaum Abhilfe schaffen. Mit der Aussicht auf eine Rückkehr vieler syrischer und ukrainischer Geflüchteter in ihre Heimat droht noch eine zusätzliche Verschärfung des Problems. Um das Arbeitsvolumen in den nächsten Jahren nachhaltig auszuweiten, bleiben neben einer vermehrten Zuwanderung und Integration in den Arbeitsmarkt vor allem die verstärkte Substitution durch Kapital und Technologie sowie längere Erwerbszeiten.
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Auch bei den Staatsfinanzen sehen wir akuten Reformbedarf. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse stellt in ihrer derzeitigen Form ein zu enges Korsett im Hinblick auf die Finanzierung staatlicher Ausgaben dar.

Gleichzeitig warnen wir davor, eine umfassende Lockerung oder gar Aufgabe der Schuldenbremse als Wunderwaffe gegen alle wirtschaftlichen Problem Deutschlands zu sehen. Zudem wird die potenzielle Neuausrichtung der Fiskalpolitik stark davon abhängen, welche Parteien die Regierungskoalition bilden und ob die kleinen Parteien genug Stimmen erhalten, um eine Sperrminorität gegen die Änderung der Schuldenbremse zu erlangen.

Unsere Hausmeinung und Strategie: Deutschland ist nicht Amerika

Auf dem aktuellen Stand, eine Woche vor der Bundestagswahl, gehen wir für Deutschland von Nullwachstum in diesem Jahr aus. Damit schätzen wir die kurzfristigen Wachstumsperspektiven hierzulande etwas negativer ein als andere Finanzmarktexperten. Eine Chance auf etwas höheres Wachstum ergäbe sich aus einem baldigen Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine.

Das größte Wachstumsrisiko sehen wir in einem eskalierenden Handelskrieg, falls Trump in der Handelspolitik bis zum Äußersten geht und Deutschland bzw. die EU umfassende Vergeltungszölle erheben sollten. Die Bundestagswahl wird den Wachstumspfad Deutschlands in diesem und dem nächsten Jahr nicht nennenswert ändern. Auf kurze Sicht wäre allen voran eine expansivere Ausrichtung der staatlichen Ausgabenpolitik wachstumsrelevant.

Im laufenden Jahr würde das Wirtschaftswachstum im günstigen Fall um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte höher ausfallen als in unserem aktuellen Basis-Szenario ohne zusätzlichen fiskalischen Impuls. Größere Wachstumseffekte aus einer Reformierung des Arbeitsmarktes und der Staatsfinanzen würden sich erst langsam in den folgenden Jahren realisieren lassen.

Für die Finanzmärkte spielt die Bundestagswahl lediglich eine untergeordnete Rolle – ganz im Gegensatz zu den jüngsten Präsidentschafts- und Kongresswahlen in den USA. An den Anleihemärkten wird bei deutschen Staatspapieren bereits eine gewisse Lockerung der Fiskalpolitik eingepreist. Dementsprechend bedarf es einer größeren Überraschung beim Wahlausgang, um einen zusätzlichen Effekt der Bundestagswahl auf die Bund-Renditen zu erhalten. Sollte der Fall eintreten, dass die Kleinparteien eine Sperrminorität gegen eine Änderung der Schuldenbremse erlangen, wäre eine expansivere Fiskalpolitik ad acta gelegt und die Zeichen stünden auf fallende Bund-Renditen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Euro. Nur eine größere Überraschung am Wahltag könnte den Wechselkurs signifikant bewegen. Sollte der Fall eintreten, dass die AfD stärkste Partei wird und an ihren Versprechen EU- und Euro-Austritt festhalten, wäre mit einer stärkeren Abwertung des Euro zu rechnen.

An den Aktienmärkten haben sich die Anleger bereits seit dem Ende der Ampel-Regierung auf einen wirtschaftsfreundlicheren Kurs einer neuen Bundesregierung eingestellt, während sich die jüngste Rallye des deutschen Leitindex DAX seit Jahresanfang unabhängig von der deutschen Politik vollzog. Der DAX hängt weder von der deutschen Politik noch von der deutschen Wirtschaft ab. Die vierzig größten Unternehmen Deutschlands, die im DAX gelistet werden, erzielen nur rund 20 % ihrer Umsatzerlöse in Deutschland. Die globale Politik und die Entwicklung der Weltwirtschaft haben bedeutend mehr Einfluss auf den Geschäftserfolg der DAX-Konzerne.

Als Fazit zu den Auswirkungen der Bundestagswahl auf Wirtschaft und Finanzmärkte in diesem Jahr lässt sich auf das Bonmot der Investoren verweisen, demzufolge politische Börsen kurze Beine haben. Die deutsche Wirtschaft wird unserer Einschätzung nach unabhängig vom Ausgang der Wahl dieses Jahr kaum wachsen, eine Rezession im dritten Jahre in Folge lässt sich nicht ausschließen und für die internationalen Finanzmärkte wird die Bundestagswahl nur zu einer Randnotiz, falls es keine große Überraschung am Wahltag gibt.
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