Apotheken in der Pandemie: Vier Inhaber erzählen
Schlecht fürs Geschäft, gut fürs Ansehen?
Im März erlebten viele Apotheker einen Run auf ihre Geschäfte. Dann wurde es sehr ruhig. Für die Teams in den Offizinen ist die Covid-19-Pandemie eine Belastungsprobe. Vier Inhaber berichten.
Florian Taentzler (36) übernahm 2017 die Hubertus Apotheke in Hildesheim. Für den jungen Selbstständigen wäre ein Covid-19-Fall im Team wirtschaftlich schwierig. Um eine Quarantäne zu vermeiden, würde er sich im Ernstfall selbst abschirmen.
"Ich hatte schon im Februar beschlossen, dass wir uns in zwei Teams aufteilen, die weder beruflich noch privat untereinander Kontakt haben sollten. Das wurde von einigen Apothekerkollegen erst als zu drastisch belächelt, später haben es die meisten auch so gehandhabt. Als relativ frischer Selbstständiger war ich besonders vorsichtig, weil ich mir eine Totalschließung nicht hätte leisten können. In der Anfangsphase der Pandemie haben wir im Team teilweise mehr Stunden gearbeitet. Unter anderem hatten wir einen höheren Aufwand durch Botendienste für Risikopatienten.
Unser Umsatz war im Frühjahr höher, weil wir zum Beispiel mehr Desinfektionsmittel und andere Schutzausrüstungen verkauft haben. Der Gewinn blieb im Vergleich zum Vorjahr aber gleich. Bei freiverkäuflichen Arzneimitteln haben wir seit dem Frühjahr einen Rückgang zu verzeichnen: Das Lager ist noch sehr voll mit 'Sommermedikamenten', das schlägt sich auch in der Liquidität nieder. Durch den Maskenzwang haben wir die klassischen Sommererkrankungen teilweise übersprungen. Die Kundenfrequenz hat sich dadurch ebenso verändert. Einige blieben weg, zum Beispiel Kunden, die sonst aus anderen Orten zu Ärzten in unserer Nähe gehen.
Seit dem Sommer arbeiten wir wieder in normaler Aufstellung. Ich bin meinen Mitarbeitern sehr dankbar, dass sie so flexibel waren und einige Opfer für die Apotheke gebracht haben. Das ist in unserem Team zum Glück ein Geben und Nehmen – die Alternative wäre Kurzarbeit gewesen. Für mich als Inhaber gibt es momentan keine Normalität. Ich nehme vieles mit nach Hause. Arbeit verlagert sich in die Freizeit. In der Apotheke habe ich eine gepackte Tasche mit Kleidung für fünf Tage stehen. Sollte es zum Beispiel einen Corona-Fall in der Kita meiner Kinder geben, bleibe ich im Zweifel lieber ein paar Tage in der Apotheke, bevor ich und mein Team in Quarantäne müssten. Bislang hat mein Programm recht gut funktioniert, aber wenn ich an den Winter denke, könnte es schwierig werden. Das ist die eigentliche Saison mit dem größten Kundenaufkommen, und das wäre für uns unter Lockdown-Bedingungen mit getrennten Teams sehr waghalsig.
Ich hoffe, die Pandemie schafft ein größeres Bewusstsein dafür, was die deutschen Apotheken vor Ort leisten. Man hat gesehen, was passiert, wenn Angebot und Nachfrage die Versorgung bestimmen: Eine Flasche Desinfektionsmittel kostete während des Lockdowns im Internet bis zu 86 Euro. Es wäre schade, wenn wir aus der Pandemie auf gesundheitspolitischer Ebene nichts lernen und die Politik weiter durch Regulation gegen uns Apotheken vor Ort entscheidet."
"Ich hatte schon im Februar beschlossen, dass wir uns in zwei Teams aufteilen, die weder beruflich noch privat untereinander Kontakt haben sollten. Das wurde von einigen Apothekerkollegen erst als zu drastisch belächelt, später haben es die meisten auch so gehandhabt. Als relativ frischer Selbstständiger war ich besonders vorsichtig, weil ich mir eine Totalschließung nicht hätte leisten können. In der Anfangsphase der Pandemie haben wir im Team teilweise mehr Stunden gearbeitet. Unter anderem hatten wir einen höheren Aufwand durch Botendienste für Risikopatienten.
Unser Umsatz war im Frühjahr höher, weil wir zum Beispiel mehr Desinfektionsmittel und andere Schutzausrüstungen verkauft haben. Der Gewinn blieb im Vergleich zum Vorjahr aber gleich. Bei freiverkäuflichen Arzneimitteln haben wir seit dem Frühjahr einen Rückgang zu verzeichnen: Das Lager ist noch sehr voll mit 'Sommermedikamenten', das schlägt sich auch in der Liquidität nieder. Durch den Maskenzwang haben wir die klassischen Sommererkrankungen teilweise übersprungen. Die Kundenfrequenz hat sich dadurch ebenso verändert. Einige blieben weg, zum Beispiel Kunden, die sonst aus anderen Orten zu Ärzten in unserer Nähe gehen.
Seit dem Sommer arbeiten wir wieder in normaler Aufstellung. Ich bin meinen Mitarbeitern sehr dankbar, dass sie so flexibel waren und einige Opfer für die Apotheke gebracht haben. Das ist in unserem Team zum Glück ein Geben und Nehmen – die Alternative wäre Kurzarbeit gewesen. Für mich als Inhaber gibt es momentan keine Normalität. Ich nehme vieles mit nach Hause. Arbeit verlagert sich in die Freizeit. In der Apotheke habe ich eine gepackte Tasche mit Kleidung für fünf Tage stehen. Sollte es zum Beispiel einen Corona-Fall in der Kita meiner Kinder geben, bleibe ich im Zweifel lieber ein paar Tage in der Apotheke, bevor ich und mein Team in Quarantäne müssten. Bislang hat mein Programm recht gut funktioniert, aber wenn ich an den Winter denke, könnte es schwierig werden. Das ist die eigentliche Saison mit dem größten Kundenaufkommen, und das wäre für uns unter Lockdown-Bedingungen mit getrennten Teams sehr waghalsig.
Ich hoffe, die Pandemie schafft ein größeres Bewusstsein dafür, was die deutschen Apotheken vor Ort leisten. Man hat gesehen, was passiert, wenn Angebot und Nachfrage die Versorgung bestimmen: Eine Flasche Desinfektionsmittel kostete während des Lockdowns im Internet bis zu 86 Euro. Es wäre schade, wenn wir aus der Pandemie auf gesundheitspolitischer Ebene nichts lernen und die Politik weiter durch Regulation gegen uns Apotheken vor Ort entscheidet."
Alexander von Waldenfels (47) ist seit 2007 Inhaber der Kur Apotheke in Schliersee in Oberbayern. Dank vieler Stammkunden und Urlauber kam das Geschäft bislang gut durch die Krise.
"Im März ging es uns wie vielen Apotheken. Es gab Hamsterkäufe von verschreibungspflichtigen Arzneien, von Grippe- und Schmerzmitteln. Viele hatten Panik, dass die Lieferketten reißen. Kundenzahl und Nachfrage waren teilweise doppelt so hoch. Ich habe versucht zu beruhigen, weil wir noch immer eine Lösung gefunden haben. Es gibt seit ein paar Jahren in Bayern einen Runden Tisch zum Thema Liefer- und Versorgungsengpässe, an dem ich die Bayerische Landesapothekerkammer vertrete. Natürlich sind wir stark von Wirkstofflieferanten aus China und Indien abhängig, aber die Pharmafirmen haben in der Corona-Krise bislang gut reagiert.
Wir haben über drei Wochen hinweg am Anschlag gearbeitet. Unter anderem haben wir selbst Desinfektionsmittel hergestellt. Meine Arbeitstage dauerten 14 Stunden oder länger. Mitte April brach der Ansturm völlig ab. Normalerweise haben wir über Ostern und Pfingsten viele Touristen, das fiel in diesem Jahr komplett aus. Meine Mitarbeiterinnen waren besorgt, aber ich war sicher, dass sich das wieder bessert. Im Sommer hat sich die Lage entspannt. Wir hatten im Ort sogar mehr Gäste als sonst, vor allem Tagestouristen. Auch die Stammkunden, die sich im März mit Medikamenten eingedeckt hatten, kamen wieder.
Was das Geschäft angeht, merke ich im Vergleich zum Vorjahr keinen gravierenden Unterschied. Zentrale Apotheken in Bayern haben teilweise viel mehr Probleme; zum Beispiel musste eine Apotheke am Münchener Flughafen vorübergehend schließen. Andere Kollegen haben Kurzarbeit angemeldet oder müssen Mitarbeiter entlassen. Wir konnten die Flaute überbrücken, indem wir Überstunden abgebaut haben und die Arbeitszeit für Backoffice-Tätigkeiten genutzt haben, unter anderem fürs Qualitätsmanagement.
Es wird spannend, wie die Leute während der zweiten Welle reagieren. Bei uns ist teilweise schon wieder das Klopapier ausverkauft. Bei Arzneimitteln ist die Lage noch ruhig, aber je öfter das Wort "Lockdown" fällt, desto eher kommen wir wieder in eine Situation wie im Frühjahr. Im besten Fall läuft das Geschäft weiter wie jetzt, im schlimmsten Fall gibt es massive Beschränkungen, die auch den Skitourismus treffen. Ich bin aber überzeugt, dass wir als Landapotheke diese Wintersaison gut überstehen werden. Dafür ist unser Anteil an Stammkunden groß genug."
"Im März ging es uns wie vielen Apotheken. Es gab Hamsterkäufe von verschreibungspflichtigen Arzneien, von Grippe- und Schmerzmitteln. Viele hatten Panik, dass die Lieferketten reißen. Kundenzahl und Nachfrage waren teilweise doppelt so hoch. Ich habe versucht zu beruhigen, weil wir noch immer eine Lösung gefunden haben. Es gibt seit ein paar Jahren in Bayern einen Runden Tisch zum Thema Liefer- und Versorgungsengpässe, an dem ich die Bayerische Landesapothekerkammer vertrete. Natürlich sind wir stark von Wirkstofflieferanten aus China und Indien abhängig, aber die Pharmafirmen haben in der Corona-Krise bislang gut reagiert.
Wir haben über drei Wochen hinweg am Anschlag gearbeitet. Unter anderem haben wir selbst Desinfektionsmittel hergestellt. Meine Arbeitstage dauerten 14 Stunden oder länger. Mitte April brach der Ansturm völlig ab. Normalerweise haben wir über Ostern und Pfingsten viele Touristen, das fiel in diesem Jahr komplett aus. Meine Mitarbeiterinnen waren besorgt, aber ich war sicher, dass sich das wieder bessert. Im Sommer hat sich die Lage entspannt. Wir hatten im Ort sogar mehr Gäste als sonst, vor allem Tagestouristen. Auch die Stammkunden, die sich im März mit Medikamenten eingedeckt hatten, kamen wieder.
Was das Geschäft angeht, merke ich im Vergleich zum Vorjahr keinen gravierenden Unterschied. Zentrale Apotheken in Bayern haben teilweise viel mehr Probleme; zum Beispiel musste eine Apotheke am Münchener Flughafen vorübergehend schließen. Andere Kollegen haben Kurzarbeit angemeldet oder müssen Mitarbeiter entlassen. Wir konnten die Flaute überbrücken, indem wir Überstunden abgebaut haben und die Arbeitszeit für Backoffice-Tätigkeiten genutzt haben, unter anderem fürs Qualitätsmanagement.
Es wird spannend, wie die Leute während der zweiten Welle reagieren. Bei uns ist teilweise schon wieder das Klopapier ausverkauft. Bei Arzneimitteln ist die Lage noch ruhig, aber je öfter das Wort "Lockdown" fällt, desto eher kommen wir wieder in eine Situation wie im Frühjahr. Im besten Fall läuft das Geschäft weiter wie jetzt, im schlimmsten Fall gibt es massive Beschränkungen, die auch den Skitourismus treffen. Ich bin aber überzeugt, dass wir als Landapotheke diese Wintersaison gut überstehen werden. Dafür ist unser Anteil an Stammkunden groß genug."
Britta Schleßelmann (39) trat 2017 die Nachfolge des Dorfapothekers in ihrer niedersächsischen Heimat an. Die Alte Apotheke Selsingen hat durch Corona wirtschaftlich gelitten. Im Vergleich zu anderen Branchen sei die Belastung aber noch tragbar, so die Chefin.
"Bevor es im März losging mit den Einschränkungen, war bei uns unheimlich viel los. Die Leute wussten nicht, was kommt, und manche haben sich noch einmal mit Medikamenten eingedeckt. Viele haben sich vom Arzt zwei Packungen aufschreiben lassen. Wir haben harte Arbeit geleistet: selbst Desinfektionsmittel hergestellt, den Botendienst ausgeweitet. Diese erste Zeit war anstrengend, aber immerhin hatten wir hohe Umsätze. Im April ging es dann deutlich bergab mit der Kundenzahl. Die Leute haben mit ihren Arzneien gehaushaltet und gingen weniger zum Arzt. Erst jetzt ändert es sich langsam; man merkt, dass die Menschen wieder häufiger zum Arzt gehen, auch mit akuten Problemen. Jahreszeitbedingt nehmen Erkältungskrankheiten wieder zu.
Ich habe früh Hygienemaßnahmen für die Apotheke getroffen. Wir waren mit die ersten in der Gegend, die Plexiglasscheiben aufgehängt haben. Ich fuhr an einem Samstag zum Baumarkt. Der Mitarbeiter dort wusste noch gar nicht, was ich suche, und wollte mir eine Tischfolie verkaufen. Schon am Dienstag darauf war Plexiglas ausverkauft. Man kann deutlich sehen, was die Scheiben alles abhalten - die werden wir auch nach Corona behalten.
Von Mitte März bis Ende Juni haben wir in zwei getrennten Teams gearbeitet. Das hat gut geklappt, auch wenn es für mich als Chefin aufwändiger war, mich mit den Mitarbeiterinnen abzustimmen. Wir haben telefoniert und uns über eine Chatgruppe ausgetauscht. Die meisten sind junge Frauen wie ich, mit Kindern im Kita- oder Schulalter. Eine Kinderbetreuung zu organisieren war für niemanden von uns einfach. Mein Mann arbeitet in der Landwirtschaft und hatte sehr viel zu tun. Wir haben das nur mithilfe der Großeltern hinbekommen. Zwar hätten wir eine Notbetreuung in einer Kita im Nachbarort in Anspruch nehmen können. Die hätte aber die Öffnungszeiten nicht abgedeckt.
Hier in der Gemeinde ist die Situation noch relativ entspannt. Bislang sind wir von Quarantänemaßnahmen verschont geblieben. Wir haben im Team besprochen, dass wir zur Arbeit in Gruppen zurückkehren können, falls es wieder schlimmer wird – da ziehen auch alle mit. Ich bin dankbar, dass das Team das alles so mitgemacht hat.
Rückblickend finde ich, dass ich als Unternehmerin stark auf mich allein gestellt war, gerade am Anfang. Hilfe oder organisatorischen Input gab es kaum. Aber das gilt nicht nur für mich als Apothekerin. Von der Pandemie sind wir am Ort auch nicht am härtesten betroffen. Unser Gewinnrückgang ist nicht vergleichbar mit der Situation in der Gastronomie oder anderen Betrieben. Mein Plan ist es nach wie vor, diese Apotheke noch 30 Jahre zu führen. Im Moment muss ich einfach damit leben, dass ich nicht ernsthaft planen kann."
"Bevor es im März losging mit den Einschränkungen, war bei uns unheimlich viel los. Die Leute wussten nicht, was kommt, und manche haben sich noch einmal mit Medikamenten eingedeckt. Viele haben sich vom Arzt zwei Packungen aufschreiben lassen. Wir haben harte Arbeit geleistet: selbst Desinfektionsmittel hergestellt, den Botendienst ausgeweitet. Diese erste Zeit war anstrengend, aber immerhin hatten wir hohe Umsätze. Im April ging es dann deutlich bergab mit der Kundenzahl. Die Leute haben mit ihren Arzneien gehaushaltet und gingen weniger zum Arzt. Erst jetzt ändert es sich langsam; man merkt, dass die Menschen wieder häufiger zum Arzt gehen, auch mit akuten Problemen. Jahreszeitbedingt nehmen Erkältungskrankheiten wieder zu.
Ich habe früh Hygienemaßnahmen für die Apotheke getroffen. Wir waren mit die ersten in der Gegend, die Plexiglasscheiben aufgehängt haben. Ich fuhr an einem Samstag zum Baumarkt. Der Mitarbeiter dort wusste noch gar nicht, was ich suche, und wollte mir eine Tischfolie verkaufen. Schon am Dienstag darauf war Plexiglas ausverkauft. Man kann deutlich sehen, was die Scheiben alles abhalten - die werden wir auch nach Corona behalten.
Von Mitte März bis Ende Juni haben wir in zwei getrennten Teams gearbeitet. Das hat gut geklappt, auch wenn es für mich als Chefin aufwändiger war, mich mit den Mitarbeiterinnen abzustimmen. Wir haben telefoniert und uns über eine Chatgruppe ausgetauscht. Die meisten sind junge Frauen wie ich, mit Kindern im Kita- oder Schulalter. Eine Kinderbetreuung zu organisieren war für niemanden von uns einfach. Mein Mann arbeitet in der Landwirtschaft und hatte sehr viel zu tun. Wir haben das nur mithilfe der Großeltern hinbekommen. Zwar hätten wir eine Notbetreuung in einer Kita im Nachbarort in Anspruch nehmen können. Die hätte aber die Öffnungszeiten nicht abgedeckt.
Hier in der Gemeinde ist die Situation noch relativ entspannt. Bislang sind wir von Quarantänemaßnahmen verschont geblieben. Wir haben im Team besprochen, dass wir zur Arbeit in Gruppen zurückkehren können, falls es wieder schlimmer wird – da ziehen auch alle mit. Ich bin dankbar, dass das Team das alles so mitgemacht hat.
Rückblickend finde ich, dass ich als Unternehmerin stark auf mich allein gestellt war, gerade am Anfang. Hilfe oder organisatorischen Input gab es kaum. Aber das gilt nicht nur für mich als Apothekerin. Von der Pandemie sind wir am Ort auch nicht am härtesten betroffen. Unser Gewinnrückgang ist nicht vergleichbar mit der Situation in der Gastronomie oder anderen Betrieben. Mein Plan ist es nach wie vor, diese Apotheke noch 30 Jahre zu führen. Im Moment muss ich einfach damit leben, dass ich nicht ernsthaft planen kann."
Peter Kaiser (63) führt die Trauben Apotheke mit zwei Standorten in Fellbach und Korb bei Stuttgart. Seit Beginn der Pandemie mussten er und seine 22 Beschäftigten oft improvisieren, etwa um Behälter für Desinfektionsmittel zu beschaffen.
"Was wir ab Mitte März erlebt haben, war wie ein Tsunami. Innerhalb von drei Tagen mussten wir für den Eigenschutz des Personals und Hygienemaßnahmen in der Apotheke sorgen. Wir haben zusätzliche Mitarbeiter für Botenfahrten akquiriert und musste massenweise telefonische Bestellungen verwalten. An einigen Tagen hatten wir außerdem fast doppelt so viele Kunden in der Apotheke wie sonst. Da kam man gar nicht richtig zum Denken, hat nur funktioniert. Es gab wahnsinnige Hamsterkäufe, unter anderem Paracetamol und Desinfektionsmittel, so dass wir die Abgabemengen irgendwann rationiert haben. Manche denken, Apotheker hätten sich in der Phase eine goldene Nase verdient. Aber als die Preise für Masken explodiert sind, haben wir sie zum Selbstkostenpreis an unsere Kunden weiterverkauft.
Die Politik hat auf den Engpass bei Desinfektionsmitteln reagiert und zugelassen, dass alle Apotheken selbst Lösungen herstellen dürfen. Wir haben im Labor um die 400 Liter Desinfektionsmittel produziert. Es fehlte aber an Behältern. Um welche zu organisieren, haben wir den ganzen Tag herumtelefoniert, haben uns teilweise mit Benzinkanistern von der Tankstelle beholfen. Die Etiketten habe ich am PC entworfen. Das war viel Aufwand, aber auch richtige Apothekerarbeit im Labor, die Spaß macht.
Ab Mitte Mai hat sich Situation etwas normalisiert. Die Umsätze waren allerdings erst einmal im Keller. Die Leute hatten sich versorgt, die Urlaubszeit kam, und es gab weniger Sommerinfekte. Trotzdem stehen wir im Team immer noch unter Stress. Wir haben viele verunsicherte, teils panische Kunden mit hohem Beratungsbedarf, hin und wieder auch aggressive Leute. Kürzlich wurde zum Beispiel jemand ausfällig gegen uns, weil ein anderer Kunde seine Maske nicht richtig getragen hat.
Wirtschaftlich bewegen wir uns in etwa auf dem Niveau vom vergangenen Jahr. Hier im Vorort sind wir gegenüber zentralen Apotheken im Vorteil, die haben zum Teil massiv gelitten. Die Branche bewegt sich ohnehin auf dünnem Eis, und durch die Pandemie könnte sich die Situation verschärfen. Unsere Erträge sinken, auch weil unsere Honorare seit etlichen Jahren nicht erhöht wurden.
Mit Blick auf den Winter bleibt für mich als Chef die Unsicherheit: Ich werde vielleicht wieder eine Teamtrennung machen müssen. Wenn ein Mitarbeiter nur leichte Halsschmerzen bekommt, muss er vorsorglich zu Hause bleiben, und ich darf mich auch an freien Tagen als Ersatz bereithalten. Neue Antigen-Schnelltest würden helfen, aber noch darf ich sie als Arbeitgeber nicht anwenden."
"Was wir ab Mitte März erlebt haben, war wie ein Tsunami. Innerhalb von drei Tagen mussten wir für den Eigenschutz des Personals und Hygienemaßnahmen in der Apotheke sorgen. Wir haben zusätzliche Mitarbeiter für Botenfahrten akquiriert und musste massenweise telefonische Bestellungen verwalten. An einigen Tagen hatten wir außerdem fast doppelt so viele Kunden in der Apotheke wie sonst. Da kam man gar nicht richtig zum Denken, hat nur funktioniert. Es gab wahnsinnige Hamsterkäufe, unter anderem Paracetamol und Desinfektionsmittel, so dass wir die Abgabemengen irgendwann rationiert haben. Manche denken, Apotheker hätten sich in der Phase eine goldene Nase verdient. Aber als die Preise für Masken explodiert sind, haben wir sie zum Selbstkostenpreis an unsere Kunden weiterverkauft.
Die Politik hat auf den Engpass bei Desinfektionsmitteln reagiert und zugelassen, dass alle Apotheken selbst Lösungen herstellen dürfen. Wir haben im Labor um die 400 Liter Desinfektionsmittel produziert. Es fehlte aber an Behältern. Um welche zu organisieren, haben wir den ganzen Tag herumtelefoniert, haben uns teilweise mit Benzinkanistern von der Tankstelle beholfen. Die Etiketten habe ich am PC entworfen. Das war viel Aufwand, aber auch richtige Apothekerarbeit im Labor, die Spaß macht.
Ab Mitte Mai hat sich Situation etwas normalisiert. Die Umsätze waren allerdings erst einmal im Keller. Die Leute hatten sich versorgt, die Urlaubszeit kam, und es gab weniger Sommerinfekte. Trotzdem stehen wir im Team immer noch unter Stress. Wir haben viele verunsicherte, teils panische Kunden mit hohem Beratungsbedarf, hin und wieder auch aggressive Leute. Kürzlich wurde zum Beispiel jemand ausfällig gegen uns, weil ein anderer Kunde seine Maske nicht richtig getragen hat.
Wirtschaftlich bewegen wir uns in etwa auf dem Niveau vom vergangenen Jahr. Hier im Vorort sind wir gegenüber zentralen Apotheken im Vorteil, die haben zum Teil massiv gelitten. Die Branche bewegt sich ohnehin auf dünnem Eis, und durch die Pandemie könnte sich die Situation verschärfen. Unsere Erträge sinken, auch weil unsere Honorare seit etlichen Jahren nicht erhöht wurden.
Mit Blick auf den Winter bleibt für mich als Chef die Unsicherheit: Ich werde vielleicht wieder eine Teamtrennung machen müssen. Wenn ein Mitarbeiter nur leichte Halsschmerzen bekommt, muss er vorsorglich zu Hause bleiben, und ich darf mich auch an freien Tagen als Ersatz bereithalten. Neue Antigen-Schnelltest würden helfen, aber noch darf ich sie als Arbeitgeber nicht anwenden."
Die Gespräche fanden im Oktober 2020 statt.