Mit dem E-Bike zum Patienten
Klimaschutz in der Arztpraxis
Hausarzt Ralph Krolewski macht ernst mit dem Klimaschutz
Wie lässt sich die Umweltbilanz von Arztpraxen verbessern? Der Allgemeinmediziner Dr. Ralph Krolewski aus Gummersbach will mit gutem Beispiel vorangehen. Das individuelle Verhalten sei wichtig, so der engagierte Hausarzt, aber es müsse sich auch im Gesundheitswesen etwas ändern.
Wie groß der Anteil der ambulanten Medizin ist, lässt sich schwer beziffern. Dr. Ralph Krolewski hat den CO2-Fußabdruck seiner Disziplin anhand verschiedener Quellen selbst überschlagen: "Durch Materialeinkauf und bezogene Leistungen kommt eine Hausarztpraxis auf zirka 40 Tonnen CO2-Äquivalante pro Jahr. Zu berücksichtigen sind außerdem schätzungsweise 60 Tonnen durch vermeidbare Anfahrten der Patienten mit dem Pkw", erklärt der Hausarzt, der seit etlichen Jahren im Umweltschutz aktiv ist, unter anderem im Ausschuss 'Klimawandel und Gesundheit' der Ärztekammer .
Grünstrom über Hausärzteverband
Gar nicht so schweißtreibend: Arbeitswege mit dem Rad
Deutlich schwieriger sei es, klimaschonend zu heizen. Wie fast alle am Ort ist Krolewski auf Erdgas angewiesen. "Da wird in Deutschland noch viel passieren müssen", betont der Hausarzt. Unter anderem gebe es nicht genug regionale Fernwärmenetze, und individuelle Lösungen wie Solarthermie oder Wärmepumpen kommen nicht für jedes Gebäude in Frage. "Zu diesem Thema bräuchten Ärzte in der Fläche mehr Beratung, zum Beispiel von regionalen Versorgern." In Eigenregie lässt sich aus Krolewskis Sicht aber an anderer Stelle viel bewegen, und das sogar im wörtlichen Sinn: indem man möglichst viele Strecken zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegt. Er selbst macht Hausbesuche fast nur noch mit dem E-Bike und legt dabei pro Woche um die 80 Kilometer zurück. Rund um Gummersbach muss er Höhenunterschiede von etwa 80 Metern überwinden - dank Elektromotor kommt der Doktor trotzdem entspannt ans Ziel. "Ein E-Bike verursacht je Kilometer nur knapp vier Prozent der CO2-Emissionen, die ein Auto ausstößt. Darin eingerechnet sind der Stromverbrauch, idealerweise aus erneuerbaren Energien, und die Akkulebenszeit", sagt Krolewski. Auch drei seiner fünf Beschäftigten lassen das Auto regelmäßig stehen, gefördert vom Chef, der einen Vertrag mit einem E-Bike-Leasingunternehmen geschlossen hat.
Gut fürs Klima und für den Körper
Krolewski motiviert auch seine Patienten zum CO2-Sparen. Er nennt es selbst 'Klimasprechstunde', obwohl es sich nicht um einen festen Termin handelt - das Thema fließt einfach in die Beratung ein. Zum Beispiel wirbt der Arzt für eine überwiegend pflanzliche Ernährung. Er bezeichnet sich selbst als Flexitarier: Tierische Produkte stehen auf seinem Speiseplan, allerdings in geringen Mengen. "Kombiniert mit mehr Bewegung kann man damit vielen Volkskrankheiten wie Diabetes und Krebs vorbeugen", so der Mediziner. "Ich berate meine Patienten nicht direktiv, sondern erarbeite mit ihnen, wie sie gesünder und klimafreundlicher leben können. Viele sind daran interessiert." Als Hausarzt sieht er seine Patienten relativ häufig, doch er bestellt sie nicht immer in die Praxis, wenn etwas zu klären ist. "Wir wollen möglichst viele Anfahrten mit dem Pkw vermeiden. Das Praxisteam ist entsprechend geschult und hilft Patienten anders weiter. Zum Beispiel bieten wir Telemedizin an", sagt Krolewski.
Wegwerf-Wirtschaft bleibt ein Problem
Nicht nur von Berufswegen ist er ein Verfechter der hausarztzentrierten Versorgung. "Rationelle Strukturen im Gesundheitswesen entlasten die Umwelt. 'Doctorhopping' führt zu vermehrten Verschreibungen und klimarelevanten Dienstleistungen. Es ist in vielen Fällen besser, wenn Hausärzte die Facharztbesuche koordinieren. In unserer Praxis können wir zum Beispiel etwa 80 Prozent der Patientenfragen selbst beantworten", so seine Erfahrung. "Wir vermeiden damit doppelte und dreifache Leistungen und senken die Risiken durch Mehrfachmedikation." Weniger Arztbesuche bedeuten nicht nur weniger gefahrene Kilometer - man spart zum Beispiel auch Einwegmaterialien. Praxis-Abfall ist ein schwieriges Thema für umweltbewusste Mediziner. "Das kann man als Einzelner im Moment nicht lösen. Ziel muss es sein, dass wir mehr Material recyceln. Außerdem brauchen wir Transparenz über den ökologischen Fußabdruck medizinischer Produkte, zum Beispiel anhand eines Labels", erläutert Krolewski.
Investieren in die gute Sache
Das Interview wurde im September 2020 geführt
Dr. med Ralph Krolewski (64) ist als Klimaschützer in mehreren berufsständischen Gruppen aktiv, darunter in der Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin. Er berät den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und ist Klimaschutzbeauftragter des Hausärzteverbands Nordrhein.
Pandemie lässt Müllberge wachsen
Eine Kreislaufwirtschaft für Medizinartikel würde die Natur gerade jetzt entlasten. Laut einer Berechnung des Hamburger Umweltinstituts könnten 2020 in Deutschland etwa 1,1 Millionen Tonnen zusätzlicher Müll entstehen: Mund-Nasen-Masken, Einmalhandschuhe, Schutzkleidung und andere Einwegprodukte werden konventionell entsorgt. Verträglicher wären zum Beispiel biologisch abbaubare Materialien.